Longevity beginnt im Schlaf
Warum gesunder Schlaf ein Schlüssel für eine längere gesunde Lebensspanne ist
Longevity, oder besser gesagt Langlebigkeit, ist der Begriff, ohne den heute kaum noch ein Gesundheits- oder Fitness-Angebot auskommt. Da Langlebigkeit für die Gesundheitsoptimierungs-Enthusiasten wohl etwas bieder daherkommt, verleiht der Begriff Longevity dem Projekt etwas mehr Glanz. Gesundheitsdienstleister und Gesundheitsexperten kommen also an diesem Hype – oder ist es gar ein Trend – nicht vorbei.
Die Deutsche Longevity Gesellschaft e.V. entwickelt z. B. Standards für Fitness- und Gesundheitsanbieter zu wissenschaftlich fundierten und seriösen Longevity-Angeboten, was einmal mehr auch die kommerzielle Bedeutung des Trends unterstreicht.
Deshalb sollten Akteure im Gesundheitsmarkt nicht nur eine Haltung oder Meinung dazu haben, sondern auch überlegen, ob und wie sie die geballte Aufmerksamkeit für das Thema Longevity für ihre hochwertigen Leistungen sinnvoll nutzen können.
Inhalt:
- Was versteht man unter Longevity?
- Die Longevity-Säulen
- Welche Faktoren bewirken das Altern?
- Mehrfache Bezüge zwischen Schlaf und Longevity
- Der Schlaf im Alter
- Genannte Studien
Was versteht man unter Longevity?
Auch wenn der Begriff selbst keine qualitative Komponente enthält, so wird doch häufig nicht nur das generell länger dauernde Leben, sondern eher die Verlängerung der gesunden Lebensspanne damit adressiert.
Es geht also einmal darum, die Gesamtlebensspanne zu verlängern, aber vor allem auch darum, mehr Jahre des Lebens in gutem Gesundheitszustand zu verbringen. Wobei Gesundheit nicht nur als das Fernbleiben von Krankheiten definiert ist, sondern mit Blick auf die umfassende WHO-Gesundheitsdefinition die verschiedenen Aspekte eines erfüllten Lebens erfasst werden.
Ein erfülltes Leben stellt sich für jeden anders dar und hängt von der jeweiligen Lebensphase ab. In der zweiten Lebenshälfte oder nach dem Erreichen des offiziellen Rentenalters mögen es für die einen Reisen oder Kreuzfahrten sein, für die anderen ehrenamtliche Tätigkeiten, das Erlernen eines Instrumentes oder einer neuen Sprache, wissenschaftliche oder berufliche Tätigkeiten oder auch Familienleben. Bei allen Aktivitäten und in jedem Alter ist jedoch eine stabile körperliche und geistige Gesundheit eine wichtige Voraussetzung.
Die Longevity-Säulen
Um zusätzliche Lebensjahre oder überhaupt das letzte Lebensdrittel bei guter physischer und psychischer Gesundheit zu verbringen, spielen mehrere Lebensstilbereiche eine Rolle:
- Schlaf und Regeneration
- Regelmäßige körperliche Aktivität, Sport kann, muss aber nicht dazu gehören
- Bewusste Ernährung
- Positive Lebenseinstellung, soziale Beziehungen, Erleben von Sinnhaftigkeit
Longevity ist somit weniger ein Ziel, sondern eine Lebenseinstellung und eine Lebensweise, die man in jedem Alter starten kann und auch sollte. Die Voraussetzung ist, Verantwortung für das eigene Wohlbefinden zu übernehmen. Von manchen Menschen wird Eigenverantwortung für die Gesundheit als etwas Schwieriges gesehen, lieber möchte man sich auf Heilkundige verschiedener Professionen verlassen. Unser Kassen-basiertes Gesundheitssystem ist jedoch nicht primär auf Gesundheitsförderung und Prävention ausgerichtet, sondern auf die Heilung bereits eingetretener Erkrankungen durch unterschiedliche Interventionen.
Die Eigenverantwortung eines jeden zu stärken und Gesundheitskompetenz zu vermitteln, ist deshalb eine dringende gesellschaftliche Aufgabe, die unter anderem auch in der Betrieblichen Gesundheitsförderung und in Schulen und Ausbildungseinrichtungen ihren Platz finden muss.
Welche Faktoren bewirken das Altern?
Altern ist ein dynamischer Prozess, der beschleunigt oder verlangsamt und zum Teil sogar rückgängig gemacht werden kann.
Beim Alterungsprozess spielen zahlreiche biologische Mechanismen eine Rolle, die sich wiederum gegenseitig beeinflussen. Man spricht hier von den „Hallmarks of Aging“. Einige der Mechanismen sind noch nicht vollständig verstanden, und bisher als sicher geltende Erkenntnisse werden durch neue Studien wieder in Frage gestellt. Es bleibt also spannend.
Die wichtigsten Mechanismen sind:
- Telomer-Verkürzung
Telomere sind die Schutzkappen unserer Chromosomen. Mit jeder Zellteilung werden sie kürzer, was schließlich zum Zell-Ruhestand führt. Seneszenz nennen Forscher diesen Erschöpfungszustand. (Der Nobelpreis für Medizin 2009 ging an Elizabeth Blackburn für ihre Arbeit zur Bedeutung der Telomere) - Epigenetische Veränderungen
Die epigenetische Regulation steuert, welche Gene in unseren Zellen aktiv sind und welche stillgelegt bleiben. Durch den Lebensstil lässt sich das epigenetische Drehbuch bearbeiten. Auch die Aktivität der Sirtuine – Enzyme für epigenetische Stabilität, Reparatur und Langlebigkeit – wird durch den Lebensstil positiv oder negativ beeinflusst. - Schwächeres Immunsystem
Die Produktion von T-Zellen nimmt mit zunehmendem Alter ab und die Immunresilienz wird schwächer. Immunresilienz ist die Fähigkeit des Körpers, auf Entzündungen und andere immunologische Herausforderungen flexibel und effizient zu reagieren. - Chronische Entzündungen (Inflamm-Aging)
Das Immunsystem setzt im Verlauf des Alterns vermehrt entzündungsfördernde Botenstoffe frei, wie z. B. Prostaglandin-E2, Interleukin-6 und TNF-alpha. Typische Krankheiten, die mit Inflamm-Aging in Verbindung gebracht werden, sind neben neurodegenerativen Erkrankungen auch Arteriosklerose, rheumatoide Arthritis, Diabetes und Krankheiten des Herz-Kreislauf-Systems.
Inflamm-Aging ist, wie eine aktuelle Studie zeigt, möglicherweise kein universeller Mechanismus des Alterns, der alle Bevölkerungsgruppen gleichermaßen betrifft, sondern muss kontextbezogen gesehen werden, da auch Umweltfaktoren und Stressoren eine Rolle spielen. - Mitochondriale Dysfunktion, gestörtes Darmmikrobiom und falsch gefaltete oder beschädigte Proteine sind weitere Faktoren, die am Alterungsprozess beteiligt sind.
Mehrfache Bezüge zwischen Schlaf und Longevity
Die oben genannten Mechanismen lassen bereits durchscheinen, warum der erholsame Schlaf beim Alterungsprozess eine so große Bedeutung hat.
Im Schlaf regenerieren und reparieren sich die Zellen, Adenosin wird abgebaut, damit die ATP-Produktion in den Mitochondrien am Folgetag wieder kraftvoll starten kann.
Der Schlaf hat für ein starkes Immunsystem eine überragende Bedeutung. Qualitativ guter und ausreichend langer Schlaf stärkt die Bindungsfähigkeit der T-Zellen an das Molekül ICAM-1 (Intercellular adhesion molecule-1) und fördert die Wanderungsfähigkeit bestimmter T-Zellen in die Lymphknoten. Verschiedene Teams der Universitäten in Lübeck, Tübingen und der LMU München arbeiteten an diesen Fragestellungen. Die Forscherteams identifizierten Prolaktin und Somatropin, beides wird im Tiefschlaf produziert, als entscheidende Faktoren für das Migrationsverhalten der T-Zellen.
Guter Schlaf reduziert Entzündungen und unterstützt die Heilung.
Schlaf wirkt neuroprotektiv. Im Schlaf werden über das glymphatische System Endprodukte des Gehirnstoffwechsels, wie z. B. ß-Amyloide, ausgeschwemmt. Amyloid-Plaques stehen im Verdacht, an der Entstehung verschiedener neurodegenerativer Erkrankungen beteiligt zu sein. In erster Linie ist hier die Alzheimer Demenz zu nennen.
Wenn Schlaf fehlt, läuft die Amygdala auf Hochtouren. Diese Hyperaktivität geht mit Dysregulation im präfrontalen Cortex einher und kann zu schlechterer Entscheidungsfähigkeit und mangelnder Impulskontrolle führen. Vor allem aber sinkt die Stresstoleranz.
Chronischer Stress und ungenügende Stress-Resilienz sind ein nachgewiesener Alterungsfaktor.
In welchem Ausmaß der Schlaf an der Telomerenlänge beteiligt ist, ist noch nicht ganz geklärt. Studien zeigten, dass die Schlafdauer keine Korrelation zur Telomerenlänge aufwies, lediglich die Schlafqualität war von Bedeutung.
Es gilt also, die Bedeutung und die Rolle des gesunden Schlafes für Longevity anhand der biologischen Alterungsmechanismen aufzuzeigen. Dadurch eröffnen sich neue Perspektiven in der Beratung und im Coaching. Vor allem können sich Gesundheitsexperten mit diesem Ansatz deutlich von Anbietern abheben, die lediglich oberflächlich oder rein produktbezogen auf den Longevity Trend aufspringen.
Der Schlaf im Alter
Während das Thema „Schlaf und Longevity“ auch für jüngere Menschen von großer Bedeutung ist, liegt bei älteren Menschen das Interesse primär auf der aktuellen Situation.
Denn der Schlaf verändert sich über die Lebensspanne.
Ab der Lebensmitte, gerade in einem Alter, wo die Schlafqualität für die Alterungsprozesse besonders wichtig wird, kämpfen viele Menschen mit Veränderungen beim Schlaf oder dem zirkadianen Rhythmus und brauchen sofortige Hilfe.
Die physiologischen Veränderungen des Schlafes mit zunehmendem Lebensalter wurden in einer großen Kohortenstudie mit über 3.000 Teilnehmern untersucht. Die Ergebnisse der Studie zeigen, dass die Gesamtschlafzeit vom 40. Bis zum 70. Lebensjahr um etwa 10 Minuten pro Lebensdekade abnimmt.
Auch die Schlafeffizienz verringert sich, jedoch nur um 3%. Deshalb ist es gerade in der Beratung älterer Menschen wichtig, die physiologischen Veränderungen des Schlafes von Schlafstörungen abzugrenzen. Dies gilt besonders für Menschen, deren Wahrnehmung des eigenen Schlafes und die Einschätzung ihres Schlafvermögens und Schlafbedarfes gestört ist.
Zu dem Beratungs- und Coaching-Prozess bei unterschiedlichen Schlafproblemen, auch bei älteren Menschen habe ich an anderer Stelle bereits geschrieben und lehre dies im „Lehrgang Schlaf und Chronobiologie für Gesundheitsexperten“.
Zum LehrgangEinige der genannten Studien in englischer Sprache für alle, die noch tiefer eintauchen wollen
https://www.ean.org/fileadmin/user_upload/ean/Congress-2025/EAN2025_Congress_Abstract_Book.pdf
Filchenko et al.: Sleep and longevity: Insights from Sleep Macroarchitecture and nocturnal heart rate variability.
Präsentiert beim European Academy of Neurology (EAN) Congress, 2025 (S. 77 + 78)
Artikel Aging Cell mit 17.000 Probanden zur Rolle der Immunresilienz auf die Lebensspanne
https://onlinelibrary.wiley.com/doi/epdf/10.1111/acel.70063
Studie zu Inflamm-Aging, veröffentlicht in Nature Aging 2025 von Maximilian Franck et al., University of Sherbrooke, Quebec, Kanada
Zugriff: August 2025
Möchten Sie mehr über den Schlaf als Schlüsselkompetenz für gesundes Altern erfahren und darüber, wie Sie das Thema in Ihre Beratungsarbeit integrieren können, dann lassen Sie sich für meinen Workshop dazu vormerken.
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